Bei Urlaubsantritt vor dreieinhalb Wochen habe ich das Buch „Die Lobbyschlacht um Softwarepatente“ von Florian Müller gelesen, dem bekannten Kämpfer gegen Softwarepatente in der EU. Im Großen und Ganzen hat mir das Buch sehr gefallen, da es aus Autorensicht die politische Struktur in der EU näher beleuchtet und die Lobbyingaktivitäten in Brüssel und Straßburg beschreibt.

Ich war immer schon ein Gegner sogenannter Softwarepatente. Das Buch zu lesen war also ein Muß, auch da es kostenlos als PDF-Datei zu haben ist.

Ich gebe mal ein paar Zitate aus dem Buch wider, die den softwarepatentischen Werdegang am Beispiel Microsofts zeigen.

Wären in den 80er Jahren schon Softwarepatente
verfügbar gewesen, hätte Apple verhindern können, dass Microsoft
Windows herausbringt – wenn nicht schon Xerox seinerseits Apple davon
abgehalten hätte, den Mac zu vermarkten.

Die Lobbyschlacht um Softwarepatente„, Seite 92

Wie sich Microsofts offizielle Position zu Open Source mit der Zeit verändert hat, erinnert an ein berühmtes Gandhi-Zitat: „Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie
über dich, dann greifen sie dich an, dann gewinnst du.“

Die Lobbyschlacht um Softwarepatente„, Seite 98

Microsofts Problem liegt darin, dass seine aggressivste bisherige Strategie – die,
mit der Netscape erfolgreich bekämpft wurde – gegen Open-Source-Software, die
per definitionem kostenlos ist, nicht greifen würde. Billiger als kostenlos kann
man nicht anbieten. Es gibt auch keine einzelne Linuxfirma, die man aus dem
Markt drängen könnte.

Die Lobbyschlacht um Softwarepatente„, Seite 102

Fünf Jahre nach Bill Gates‘
kritischen Worten über Patente [im Jahre 1991] lag Microsofts Jahresumsatz bei 8,7 Mrd. Dollar,
und die Gewinne waren auf 2,2 Mrd. Dollar gestiegen. Auch damals noch
verfügte Microsoft nur über etwa 100 Patente …

Die Lobbyschlacht um Softwarepatente„, Seite 92

Die mehr als 1.000
Patente, die Microsoft im Jahr 2000 besaß, waren schon eine erkleckliche Zahl,
aber kein Ausdruck von Aggressivität.

Die Lobbyschlacht um Softwarepatente„, Seite 93

In den letzten Jahren hat Microsoft ein Wettrüsten begonnen. Im Jahr 2003
beantragte man 1.000 neue Patente, ein Jahr später schon 2.000, und in 2005 sind
es etwa 3.000 geworden. Nur wenige Unternehmen können damit mithalten, und
das Tempo wird weiter anziehen.

Die Lobbyschlacht um Softwarepatente„, Seite 109

Irgendwann in absehbarer Zukunft wird Microsoft eine
atomare Supermacht in der Welt der Patente sein.

Die Lobbyschlacht um Softwarepatente„, Seite 109

Bislang steigert Microsoft weiterhin seine Umsätze und Gewinne. Sollte aber nur
eine dieser beiden Kennzahlen jemals rückläufig sein und dadurch sogar mancher
Arbeitsplatz in Gefahr geraten, dann – dessen bin ich mir sicher – wird Microsofts
Management ernsthaft über die Möglichkeit nachdenken, die Patent-Atombombe
abzuwerfen.

Die Lobbyschlacht um Softwarepatente„, Seite 109

Sie [Softwarepatente] erhöhen die
Kosten der Softwareentwicklung, und das kommt den wenigen großen Anbietern
gelegen, die gemeinsam den Markt beherrschen wollen. Kosteneffiziente
Entwicklungsmethoden wie Open Source sowie kleine und innovative Firmen, die
erst jetzt in den Markt eintreten, werden benachteiligt. Bei Software stellen
Patente entgegen ihrem Grundgedanken die Macht des Geldes über die Macht des
Geistes.

Die Lobbyschlacht um Softwarepatente„, Seite 112

Diesen ganzen Bedenken von Florian Müller kann ich nur beipflichten.

Witzig finde ich, dass OpenSource (OS) indirekt der größte Förderer von Softwarepatenten in den letzten Jahren ist.
Ohne OS hätte SAP vielleicht seine Abneigung gegen Softwarepatente nicht aufgegeben.
Und Microsoft sammelt derzeit regelrecht Patente, die es womöglich später gegen OS
oder deren unterstützende Konzerne wie Sun einsetzen will.

Da finde ich es nur folgerichtig, dass sich die FSF mit einer GPLv3 (GNU General Public License, Version 3) dagegen stemmt. Ich habe mich über die in Entwicklung befindliche GPL bisher zwar nur über diverse Zeitschriften und deren Onlineforen informiert, aber daraus kann man sich schon eine erste Meinung bilden.

Anfangs war ich skeptisch gegen die neuen Teile, die DRM (Digital Rights Management) und Softwarepatente behandeln. Die GPL könnte dadurch wesentlich weniger attraktiv für diverse Projekte werden und die Schaffung neuer, unfreierer Lizenzen begünstigen. Aber wenn man sich den politischen Gedanken hinter der FSF vergegenwärtigt und die Zukunft nicht nur DRM-Vertreibern und Patentinhabern überlassen will, muss man auf diese Entwicklungen reagieren.

Wer die neuen Restriktionen nicht will, kann ja weiter die GPLv2 benutzen. Und da Linus von IBM bezahl wird, das zig Tausende Softwarepatente besitzt und pro Jahr
einen Milliardenumsatz durch dessen Lizenzkosten macht, sehe ich auch seine Abneigung gegen die GPLv3 etwas kritischer. Auch wenn dieser Gedanke aus der Luft gegriffen sein mag (kenne den Mann ja nicht persönlich).

Die GPL3 ist die Antwort auf proprietäre Softwarepatente, die widerum zu einem beachtlichen Teil
aus der Angst vor der GPL und anderen OS-Lizenzen entstanden sind. Ein Teufelskreis; aber wenn sich freie Software nicht den neuen Gegebenheiten anpasst, droht sie, missbraucht zu werden.

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